| Zusammenhänge  – neu gesehenWas war eigentlich die  Deutsche Demokratische Republik? von Klaus Buschendorf „Der erste sozialistische Staat  auf deutschem Boden.“ So hätte der Saarländer Erich Honecker geantwortet.  „Nein“, sage ich als gelernter DDR-Bürger. „Ein Staatskonzern, die DDR-AG. Ein  staatskapitalistischer Kapitalismus mit sozialistischer Tarnung.“ Warum? Volkseigentum sei die Grundlage  dieses „sozialistischen“ Staates gewesen, höre ich auch heute noch Verfechter von  Erichs Antwort sagen. Gab es je „Volkseigentum“? Eigentum heißt danach, weil  ein Eigentümer darüber verfügt. Hat das Volk über das „Volkseigentum“ verfügt?  Jeder, der die DDR erlebt hat, weiß: Auf Parteitagen wurde über den Gebrauch  des „Volkseigentums“ entschieden. Aber das stimmt so auch nicht. Sie wurden  vorbereitet von der „führenden Partei der Arbeiterklasse“ in kleinen Zirkeln.  Die wurden angeleitet über Parteiaufträge zur Vorbereitung der Diskussion.  Vorgetragen vor großem Plenum, strahlte so große Einigkeit über die gefassten  Beschlüsse aus. Wo blieb „das Volk“? Draußen. Verfolgt man den Verwaltungs- und  Leitungsweg, erkennt man, dass nur der Generalsekretär der SED (und  Vorsitzender des Staatsrates der DDR) Verfügungsrecht über das „Volkseigentum“  besaß. Alle übrigen Personen übten Beraterfunktionen aus. Er war also der  Eigentümer, ein Mono-Kapitalist, das Politbüro entsprach dem Aufsichtrat, die  Regierung dem Vorstand und die „führende Partei der Arbeiterklasse“ war nichts  weiter als die Marketingabteilung dieses Staatskonzerns. Ein sträflich  einfacher Nenner, auf den ich die ganze DDR jetzt bringe, wissenschaftlich  denkende Menschen mögen mir verzeihen.  Und die „sozialistische Tarnung“?  Man muss den Gründervätern der DDR bescheinigen, dass sie tatsächlich anfangs  wollten, was die „Marketingabteilung“ stets verkündigte: die Menschen für die  Idee des Sozialismus zu gewinnen. Bildung, Kultur und Sport hielt man für  wichtiger als Konsum. Das System der Vollbeschäftigung, die einheitliche  Kranken- und Rentenkasse, in welche alle Bürger zahlten, ist ein vom  Westen unerreicht gebliebenes Sozialstaatsmodell gewesen. Gemeinsames Lernen  bis zur 10. Klasse, flankiert von einem Kinderkrippen-, -garten-, -hort-System  in unmittelbarer Umgebung der Schule nimmt die heutige angestrebte Integrierte  Gesamtschule voraus. Eine Lehrstelle gab es für jeden. Ein Abiturient verfügte  nach der 13. Klasse über einen Berufsabschluss. Er sollte diesen Beruf nicht  ausüben, aber Erfahrung in der Produktion besitzen. Nahm er das längste  Regelstudium auf (Medizin, 6 Jahre), erhielt er als männlicher Student mit  dem Arzt-Diplom den Reserveoffizier – und war Doktor mit 26/27 Jahren. Ältere  Regel-Studenten in der DDR? Fehlanzeige. In der Kultur wurde man Künstler über  spezielle Bildungswege, nicht über die Fernsehsuche nach Superstars. Und über  das Sportförderungssystem zu sprechen, halte ich für Zeitverschwendung.  Warum die Idee einer neuen Gesellschaftsordnung sich nicht behaupten  konnte? Das wäre ein neuer Artikel. Betrachten wir, was übernehmenswert gewesen  wäre: Alles, was ich hier unter „sozialistischer Tarnung“ salopp  zusammengefasst habe. Die reiche Bundesrepublik, die mit dem besseren Leben  ihrer Bürger so in die DDR strahlte, dass deren Menschen, D-Mark-süchtig,  nichts mehr von einer Verbesserung ihrer eigenen Lage wissen wollten, sollte  sie schultern können. Damals wollte der stolze Sieger nichts vom Verlierer  übernehmen, keine weltbesten Eiskunstlauftrainer und keinen Palast der  Republik. Jetzt, wo 20 Jahre lang die DDR nur als Diktatur, Mauer- und  Stasiland gesehen wurde, wäre es Zeit, sich des (zumindest im Osten)  geflügelten Wortes zu erinnern: Es war nicht alles schlecht!   |